
WER WAR DAS?
Ein Kommentar zum Kornkreis-Artikel im P.M. Magazin "Fragen und Antworten"
Von Andreas Müller, September 2006
In der aktuellen Ausgabe (September/2006) des selbst ernannt populärwissenschaftlichen Magazins „P.M. - Fragen und Antworten“, das sich in der gleichen Aussagen mit so spannenden Fragen wie „Warum brauchen wir jetzt auch Bullenflüsterer?“, „Wie kann ich mein Sexspielzeug aus dem Automaten ziehen?“ oder „Wer ist der begehrteste Samenspender?“ beschäftigt, nimmt sich die Redaktion auch des Themas Kornkreise an und beantwortet endlich die Frage: „Geheimnisvolle Kornkreise. Wer war das?“ mit der alt bekannten Theorie, dass alle Kornkreise das Werk oft sehr begabter Künstler seien.
Unabhängig von dieser pauschalen und wenig wissennschaftlichen Behauptung wimmeln die Bildtexte dieser „F&A Galerie“ primär schon von rein sachlichen Fehlern, welche die Sachkompetenz der „P.M. Fragen und Antworten“-Redaktion nicht nur in Sachen Kornkreise in Frage stellen.
Im Folgenden wollen wir die einzelnen Aussagen der Bildtexte genauer betrachten und dabei versuchen, die Frage nach der Interpretation des Phänomens (man-made oder nicht) außen vor zu lassen und uns auf die faktischen Inhalte der Texte zu konzentrieren.
"P.M. - Fragen und Antworten", Sept/2006, S. 41:
"Weltentkalender
Im englischen Wiltshire, nahe Stonehenge, gibt es traditionell die meisten Kornkreise. Hier entstanden 1978 die ersten. Ihre Schöpfer hatten sich dazu von den Mythen der australischen Aborigines inspirieren lassen. Ganz auf ein mythisches Weltbild gründet sch auch dieses Werk eines unbekannten Künstlers in Sillbury Hill: Dem Maya-kalender nachempfunden, kündet es von einem neuen Zeitalter, das 2012 beginnen soll."
Kornkreis am Silbury Hill in Wiltshire im August 2004.
Copyright: Frank Laumen
Schon die Behauptung, die ersten Kornkreise seien im Jahre 1978 im englischen Wiltshire entdeckt worden, ist falsch:
Kornkreise sind sowohl in England als auch weltweit schon lange vor 1978 nachgewiesen. 1978 markiert lediglich das Datum eines bislang als erstes englisches Kornkreisfoto geltenden Bildes. Doch selbst dieses Foto zeigt eine Kornkreisformation in der Grafschaft Hampshire - nicht in Wiltshire.
Die ältesten eindeutigen Aufnahmen von Phänomenen, die wir heute „Kornkreise“ nennen würden, stammen aus dem Jahre 1966 und wurden damals bei Tully im australischen North Queensland entdeckt und dokumentiert.
Diese – und nicht die angeblichen „Mythen der Aboriginies“ (aus Forscherinteresse würden wir gerne erfahren, welche Aboriginie-Mythen hier zitiert werden!) - waren es auch, welche die beiden Väter aller Kornkreisfälscher Doug Bower und Dave Chorley angeblich zu ihren Werken in den englischen Feldern inspiriert hatten. Die beiden wollten damit ursprünglich in England einen ähnlichen UFO-Hype wie damals um die Kreise von Tully auslösen.
Zwar teilen viele Kornkreisforscher die Einschätzung des (obig) gezeigten Kornkreises am Silbury Hill im August 2004 als menschliche Fälschung. Dennoch wäre es interessant zu erfahren, auf welche Informationsquelle sich die P.M.-Redaktion hier beruft, wenn sie hier selbst von einem „unbekannten Künstler“ spricht. Wie bitte rechtfertigt man die Behauptung ein konkreter Kornkreis sei Menschenwerk, wenn man selbst eingesteht, dass der vermeintliche "Künstler" unbekannt ist?
Desweiteren wird behauptet, dieser mysteriöse „unbekannte Künstler“ habe mit dem Muster des Kornkreises den Maya-Kalender nachempfunden. Der tatsächliche Maya-Kalender gleicht dem Muster im Feld jedoch weder in seiner Aufteilung von in der geometrisch-künstlerischen Darstellung (siehe folgende Abbildung). Vielmehr scheint die P.M.-Redaktion selbst von esoterischen Kornkreisinterpretationen „inspiriert“ worden zu sein.

Weder zum Maya-Kalender (m.) noch der oft damit verwechselte Kalenderstein der Azteken zeigen direkte Ähnlichkeiten mit dem Kornkreis am Silbury Hill im August 2004.
Copyright (Kornkreis-Grafik): Bertold Zugelder
Zudem handelt es sich bei "Silbury Hill" nicht um einen Ortsnamen, sondern um den Namen eines prähistorischen, künstlich in Stufen angelegten Kegelhügels in England (siehe unten).
Somit kann ein Kornkreis also nicht "in", sondern nur "bei" oder "am"
Silury Hill liegen. Zugegeben, diese Unterscheidung fällt schwer, wenn man nur vom Schreibtisch aus über Kornkreise berichtet...
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"P.M. - Fragen und Antworten", Sept/2006, S. 42:
"Ewiges Licht
Bei Nacht und Nebel kommen die Kornkreiskünstler, legen, biegen oder trampeln die Ähren blitzschnell mit Händen und Füßen, mitgebrachten Eisenstangen und anderen Werkzeugen in die gewünschte Form. Das Feld für diesen „Kristall“, Symbol des Lichts, wurde bewusst gewählt. Im Hintergrund erhebt sich ein prähistorischer Grabhügel. Tod und Leben – ein menschliches Dauerthema."
 Kornkreisformation am Silbury Hill in Wiltshire im Sommer 1997.
Copyright: Frank Laumen
Laut P.M. handelt es sich bei dem in Hintergrund des Kornkreises zu sehenden Hügel um einen „prähistorischen Grabhügel“. Tatsächlich ist dies jedoch erneut der Silbury Hill, sein Alter ca. 4600-4700 Jahre. Enteggen einer alten Legende, dass hier der mythische König Sil, sitzend auf einem goldenen Pferd, begraben sei, konnten im Innern des künstlichen Hügels nie menschliche Überreste gefunden werden. Der Zweck dieses imposanten Bauwerkes ist weiterhin unbekannt.
Auch die Deutung der Kornkreisformation als „Kristall“ und wiederum dessen Deutung durch die P.M.-Redaktion als „Symbol des Lichts“ entspringt wohl mehr esoterischen Interpretationen als fundierten Fakten. Tatsächlich stellt die Formation eine bekannte Variation der so genannten „Koch-Kurve“, eben einer „Kochschen Schneeflocke“ aus der fraktalen Chaosmathematik dar.
Somit bleibt P.M. auch die Antwort auf die Frage, warum – und vor allem von wem – das Feld also „bewusst gewählt“ wurde schuldig.
„Bewusst gewählt“ wurde hier offenbar lediglich die esoterische Deutung, um entsprechende Klischees über Kornkreise und jene die sich für sie interessieren zu bedienen.
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"P.M. - Fragen und Antworten",
Sept/2006, S. 43 - oben:
"Auge Gottes
In einem Weizenfeld haben die anonymen Künstler ein altes Symbol für die Allgegenwärtigkeit Gottes entstehen lassen. Neben solchen mythischen Bildern waren in diesem Jahr auf englischen Feldern erstmals auch alltägliche Dinge zu sehen: Riesen-Sudokus oder 3-D Würfel."

Kornkreisformation bei Berwick Bassett in Wiltshire im Sommer 2001
Copyright: Lucy Pringle
Auch hier entspringt die Interpretation des Kornkreismusters wohl eher der Suche der P.M.-Redaktion nach vermeintlich esotersichen Klischees als tatsächlichen Interpretationen des Kornkreises. Selbst von esoterischen Kornkreisforschern wurde diese Formation nie als „Auge Gottes“ bezeichnet. (Wir lassen uns gerne von der P.M.-Redaktion anhand einer Quellenangabe vom Gegenteil überzeugen.)
Der Kornkreis selbst wurde im Jahr 2001 bei Berwick Bassett in Wiltshire entdeckt. Ein "Riesen-Sudoku" wurde weder in diesem Jahr noch früher oder später als "Kornkreis" angelegt. Das einzige Beispiel eines Riesen-Sudokus wurde 2005 (also erst vier Jahre später!) auf einer Wiese nahe Bristol angelegt; es bestand allerdings aus weißen Plastikplanen. Einen "Kornkreis" in dieser Form, gab es bisher noch nie...
3-D-Würfel-Kornkreise gab es hingegen bereits im Sommer 1999...
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"P.M. - Fragen und Antworten", Sept/2006, S. 43 - unten:
"Mystische Rose
Sie erinnert an die Fenster gotischer Kathedralen: Diese zierte ein Feld in Südengland. Nebenbei bemerkt: Die Kornkreise selbst bedeuten kaum eine Gefahr für die Ernte, doch die Scharen Schaulustiger und selbst ernannter 'Kornkreisforscher', die sie anziehen, können erheblichen Schaden anrichten."

Kornkreisformation bei Avebury Trusloe in Wiltshire im Sommer 1998.
Copyright: Frank Laumen
Hier wird es fast schon kriminell, versucht P.M. hier doch tatsächlich das mechanische Anlegen von Kornkreisen – das meist leider ohne die Zustimmung der Landwirte und somit auf deren Kosten geschieht – zu rechtfertigen.
Die Realität sieht jedoch anders aus, wie ein Versuch deutscher Kornkreisforscher im Juni 2003 zeigt. Am Morgen nach der Fertigstellung der Experimentalformation und noch bevor weitere Besucher im Feld waren, lagen „gut 50 Prozent der Halme (250 qm Gesamtfläche) am Boden und waren für den Landwirt nicht mehr einholbar. Er bezifferte den Schaden auf ca. 110 Euro (ca. 220 Euro bei 500 qm).“
Gerade für Kleinbauern sind auch derartige Beträge ein nicht geringer Schaden für das Werk „selbst ernannter“ Künstler.
Trotz des primären Forscherinteresses versuchen die meisten Kornkreisforscher bei der Feldbegehung so wenig Schaden wie möglich zu verursachen und begehen die Felder meist nur mit Erlaubnis der Landwirte. Viele Kornkreis-Homepage verweisen auch auf Verhaltensregeln in den Kornkreisfeldern, weisen gesondert auf die rechtlichen Umstände hin und rufen zu Respekt gegenüber dem Eigentum, Grundbesitz und der Arbeit der Landwirte hin.
Auch rechtlich betrachtet kann der durch die Besucher eines künstlich und illegal angelegten Kornkreises verursachte Schaden dem - wohl aus diesem Grunde - anonymen "Künstler" zugerechnet werden. Das Recht - zumindest das öffentliche Recht - kennt die Figur des so genannten "Zweckveranlassers". Danach haftet derjenige, der eine Ursache setzt in dem Wissen, dass Andere als Folge hiervon einen Schaden verursachen, für diese Schäden - auch finanziell.
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"P.M. - Fragen und Antworten", Sept/2006, S. 44:
"Sternbild
Auch bei diesem komplexen Kreisbild rätselten die Medien: Wer hatte es geschaffen? 1991, dreizehn Jahre nach Auftauchten der ersten Kornkreise, outeten sich Doug Bower und Dave Chorley als die Macher. Sie glaubten, damit Spekulationen über okkulte oder auch unbekannte natürliche Urheber der Bilder beenden zu können. Doch die Diskussion geht weiter. Bis heute. Gern zitiertes Argument: Schon Volksmärchen und alte Holzschnitte erzählen von rätselhaften Kreisen im Getreide."

Kornkreisformation bei Bishops Cannings in Wiltshire im Sommer 2000.
Copyright: Frank Laumen
Auch bei dieser Formulierung würde uns eine Quellenangabe der P.M.-Redaktion interessieren. Uns ist kein Medienbeitrag bekannt, der konkret über gezeigte Kornkreismuster rätselte.
Die erneute Behauptung, die ersten Kornkreise seien 1978 entdeckt worden, wurde obig bereits diskutiert und entkräftet.
Endlich einmal faktisch richtig ist der Hinweis der Redaktion auf die Volksmärchen und alten Holzschnitte, die bereist von rätselhaften Kreisen im Getreide erzählen. Doch genau hier, wo sich endlich eine konstruktive Diskussion über Fakten anbieten würde, endet das Kommentar der P.M.-Redaktion.
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"P.M. - Fragen und Antworten", Sept/2006, S. 45 - oben:
"Magische Zirkel
Nur Könner wagen sich an elegant geschwungene Formen wie diese konzentrischen Kreise. Für Anfänger gibt es jetzt ein Handbuch zur Erstellung einfacher Getreidebilder. Autor – manche sagen auch „Verräter“ – ist der britische Land-Art-Künstler John Lundberg, der früher selber Kornkreise gestaltete."

Kornkreisformation bei Henwood in Hampshire im Sommer 1995
Copyright: Lucy Pringle
Diesem Bildtext ist nichts hinzuzufügen.
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"P.M. - Fragen und Antworten", Sept/2006, S. 45 - unten:
"Wege im Weizen
Zu Hunderten gingen Schaulustige in diesen Labyrinthen auf einem kalifornischen Feld spazieren. Das große Interesse an den Kornkreisen ist der Industrie nicht verborgen geblieben. Jetzt werben Unternehmen wie Pepsi Cola oder die BBC mit solchen Kunstwerken. In den Augen der Fans ist das ein Sakrileg – doch bleibt die Magie der Kornkreise davon unberührt."
(Gezeigt wird eine Bodenaufnahme der folgenden Kornkreisformation bei Rockville, Kaliornien 2006.)

Kornkreisformation bei Rockville in Kalifornien im Sommer 2003
Copyright: The Chronicle
Unabhängig davon, dass die damalige Formation in Kalifornien keine „Labyrinthe“ sondern eine relativ einfache Formation aus Kreisen, Ringen und Geraden darstellte und Firmen tatsächlich – dies allerdings schon seit vielen Jahren - mit Kornkreisen werben, ist es primär eine Frage der Betrachtungsweise, ob Kornkreis-Fans in derartigen Werbeaktionen ein "Sakrileg" – also ein Vergehen gegen etwas Heiliges – sehen oder nicht. Zweifelsohne gibt es auch "Kornkreis-Fans", die das Thema durchaus esoterisch, spirituell und/oder religiös behandeln. Doch auch unter den Kornkreisinteressierten gibt es (ob nun selbst ernannt oder nicht) Forscher, die das Thema wissenschaftlich und frei von ersatzreligiösen Tendenzen versuchen zu erforschen.
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Schlußfolgerung
Keiner Gruppe, weder Kornkreisforschern und –kritikern noch den interessierten P.M.-Lesern ist mit einer derart platten und Klischee beladenen Abhandlung des Themas jenseits irgendwelcher Fakten gedient.
Angesichts der offenkundigen faktischen Mängel dieses Beitrages ergibt dessen Titel einen völlig neuen Sinn. "Wer war das?" - eine Frage, die vielleicht einmal innerhalb der P.M.-Redaktion gestellt werden sollte.
(Anmerkung: Aus urheberrechtlichen Gründen entsprechen die jeweils über den P.M.-Zitaten gezeigten und dazugehörigen Fotos der entsprechenden Kornkreise nicht den Originalfotos aus dem P.M.-Beitrag. Sie zeigen aber die selben Kornkreisformationen. Zudem haben wir uns bemüht, ähnliche Bildausschnitte wie im Beitrag auszuwählen.)
Dieser Artikel wird auch der P.M.-Redaktion zugeschickt. Für eine Stellungnahme von P.M. auf dieser Seite sind wir jederzeit offen...
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